Vorwort

Ist der Forscher einem Schiffer zu vergleichen, der sich gern im engen Fahrtwasser des ihm bekannten Flusses hält, begibt sich der Laie kühn auf die hohe See ohne ihrer Gefahren zu achten (wohl auch ohne sie zu kennen), so wird - im Gegensatz zu beiden – unser Schiff gleichsam an der Mündung kreuzen, immer bereit im sicheren Flussbette Deckung zu suchen, und immer im Begriff einen Ausblick zu gewinnen auf die Weite des Horizonts.

Aus Friedmann Hermann, Die Welt der Formen, Vorwort zur ersten Auflage 1925

Dies ist weder eine reine Arbeit über Biologie, noch über Mathematik, noch über Informatik. Es ist gewissermaßen ein interdisziplinärer Essay. Er versucht, sowohl dem Laien, als auch Fachpersonen aus verschiedensten Wissenschaftsgebieten einen Einblick in die wundersame Welt des Wachstums zu gewähren. Gleichermaßen sollen Biologen, Mathematiker, Graphiker, Informatiker, Philosophen etc. angesprochen werden. Wir hoffen, dass jeder Leser, gleich von welchem Standpunkt aus er das Werk betrachtet, bekannte und auch neue Elemente findet. Immer wollen wir den Leser dazu motivieren, auf eigene Faust zu experimentieren und nach Zusammenhängen zu forschen.

In diesem Sinne erklären wir dem schlimmsten Feind der Wissenschaft den Krieg: Nämlich dem Fachidiotismus, der Engstirnigkeit, der Einseitigkeit.

Das alles ist natürlich leichter gesagt als getan. Schwierigkeiten sind vorprogrammiert, wenn es gilt einen Spaziergang mit Marathonläufern und Rollstuhlfahrern durch ein unbekanntes Gelände zu organisieren. Weder wollen wir den Könner mit Allgemeinheiten langweilen noch dem Neuling die Lektüre mit Fachausdrücken und Fremdwörtern verdrießen. Insbesondere was die Informatik anbelangt, haben wir die allergrößte Mühe, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die betreffenden Stellen sind zwar in einer Weise angelegt worden, die "bedingtes Lesen" erlaubt: Spezielle Details sowie grundlegende Erklärungen sind vom Haupttext getrennt. Wir bitten um Nachsicht falls uns (und das ist sicherlich der Fall) dies nicht überall gelungen ist.

Erst mit der Zeit konnten wir die Tragweite und die Komplexität des Themas "Wachstum" abschätzen. Auf dem scheinbar kleinen, ebenen Feld "Wachstum" taten sich ständig neue Klüfte und Abgründe auf. Je länger man darin herumstöbert, desto größer und unübersichtlicher wird der ganze Haufen an Wissen, den man zu Tage fördert. Das Thema "Wachstum" ist eine wahre Wundertüte.

So mussten wir uns im Verlaufe der Arbeit oft selber korrigieren und einschränken, hatten aber auch immer wieder Anlass dazu, nach hierhin oder dorthin vom Thema abzuschweifen. Mehrere dieser interessanten Exkursionen haben wir in unsere Arbeit eingebunden.

Wir erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und sind dankbar für jeden Hinweis, jede Ergänzung und jede Kritik.


Herbst 1999
Peter Jossen und Daniel Eyer